Einer gegen alle, alle gegen einen – oder: Bedroht die Macht der Bürokratie die Gemeinschaft?
Sich als Teil der Gemeinschaft zu fühlen – also ein Zusammensein in wechselseitiger Verbundenheit zu erleben – ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit mehr. Womöglich ist es heute sogar schwerer denn je, ein solches Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln – allein, wenn einem Szenen von Menschen in den Sinn kommen, die unablässig in Bildschirme starren. Um diesem vermeintlichen Schwinden des gesellschaftlichen Zusammenhalts entgegenzuwirken, erscheint es umso dringlicher, Orte und Gelegenheiten der Gemeinschaft zu bewahren und zu schützen. Ein solch schützenswerter Ort gelebten Miteinanders gerät aktuell aufgrund des Individualinteresses eines Einzelnen ins Wanken: einer gegen alle.
Die Angelegenheit betrifft das Areal am Jugendzentrum (JUZ) Arena in Regensburg – für Außenstehende ein unspektakulär wirkendes Sport- und Freizeitgelände, für viele Rollsportler hingegen ein zweites Zuhause. Seit Jahrzehnten wird dort friedlich am Skateboard-Park geskatet, am Fußballplatz gebolzt, an den Basketballkörben gedribbelt, und auf dem Beachvolleyball-Platz gebaggert und seit einigen Jahren auch über den Dirtpark geheizt – bis heute … Während sich die Nutzer über Jahrzehnte hinweg nahezu beschwerdefrei an der Anlage erfreuen konnten, stehen neuerdings täglich das Ordnungsamt mit drei oder die Polizei mit zwei Beamten kurz vor 20 Uhr bereit, um alle Anwesenden vom Gelände zu verweisen. Und alles nur aufgrund wiederholter Beschwerden einer einzigen Person und dessen Wunsch nach Ruhe. Langsam wird aus einer gegen alle, alle gegen einen.
Formell beruft sich der Beschwerdeführer auf die Grünanlagensatzung der Stadt Regensburg, die die Nutzung von Spielanlagen – als solche das Areal samt oben genannter Sportflächen gewidmet ist – nach Anbruch der Dunkelheit oder spätestens ab 20 Uhr untersagt. Informell scheinen jedoch andere Beweggründe die wiederholten Beschwerden bei der Exekutive zu motivieren – etwa wenn sogar nahezu geräuschlose Schaufelarbeiten an der Dirtbikestrecke Anlass zur Unmutsäußerung bieten, welche im Übrigen in großen Teilen ehrenamtlich von der Szene Instand gehalten wird. Selbst vor dem Lärm des angrenzenden Bauspielplatzes schreckt der gnadenlos wirkende Denunziant nicht zurück – einem Ort, an dem Kinder und Jugendliche an sechs Stunden pro Woche erste handwerkliche Erfahrungen sammeln dürfen. Unverständnis und Ratlosigkeit breiten sich in den Köpfen der Denunzierten aus. Ein früherer Ort des Miteinanders wird zu einem Raum an dem gilt: Einer gegen alle, alle gegen einen.
Es geht also um einen; einer der sich von allem und allen gestört fühlt – und durch sein ‚Beschwerdentum‘ wiederum alle stört. Im Kern geht es um die Einschränkung unausgesprochener Rechte vieler, nur damit das formale Recht eines Einzelnen gewahrt wird. Wie kann das Ruhebedürfnis einer Person mehr wiegen als das im Grundgesetz garantierte Recht auf freie Entfaltung und allgemeine Handlungsfreiheit von Hunderten? Soll das demokratisch sein? Wenn Jugendliche und junge Erwachsene wegen der kompromisslosen Durchsetzung einer starren Nutzungszeit – ohne erkennbare Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit oder Abwägung der Interessen – an ihrer sportlichen Leidenschaft gehindert werden, sind Zweifel an der zugrunde liegenden Regelung mehr als berechtigt. Satzungsänderung? – „Des hamma ja no nia ned gmacht“. Damit bleibt es bei: einer gegen alle.
Längst ist Skateboarding vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) als olympische Sportart anerkannt. Man kann davon halten was man will, aber Skateboarding hat sich über die letzten Jahrzehnte in jeglicher Instanz organisiert und institutionalisiert: International (IOC), national (DRIV) sowie kommunal – in hunderten von Vereinen, zu denen auch der unsere gehört. Was braucht es noch, um dann auch als Sport anerkannt zu sein und nicht als Spielplatz-Besucher degradiert zu werden? Die Nutzungszeiten von Sportanlagen – wie bei jedem Fußballplatz in Regensburg auch – reichen abends unter Einhaltung der Lärmschutzrichtwerte bis 22 Uhr. Gerichtsurteile, in welchen Freizeit- und Trendsportgelände als Sportanlagen anerkannt werden, und zahlreiche kommunale Praxisbeispiele zu Ausnahmeregelungen für BMX- und Skateparks in Grünanlagensatzungen zeigen Möglichkeiten einer angemessenen Anpassung bestehenden Rechts. Wie sehr die rechtliche Gleichstellung von BMX- und Skateparks mit Spielplätzen die Lebensqualität vieler junger Sportlerinnen und Sportler beeinträchtigt – insbesondere der Berufstätigen – sei hier nur angedeutet. Wiederum breiten sich Unverständnis und Ratlosigkeit aus – auch mit Blick auf den Sommer, wenn Sport im Freien aufgrund der Hitze oft erst in den Abendstunden möglich ist und es bis 22 Uhr taghell bleibt. Die Antwort: alle gegen einen?
Wir sagen: Nein! Gemeinschaft bedeutet – wie eingangs beschrieben – ein Zusammensein in wechselseitiger Verbundenheit. Im gesamtgesellschaftlichen Sinn sind wir als BMX- und Skateboardszene auch dem Beschwerdeführer im Sinne der Wechselseitigkeit dem besseren Argument verpflichtet. Wir lassen uns nicht auf ein Katz-und-Maus-Spiel ein, sondern treten als lebendige Gemeinschaft für das Recht aller ein – ohne dabei das Recht des Einzelnen zu ignorieren. Wir sind ausdrücklich daran interessiert, eine einvernehmliche Lösung zu finden, die die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen gegeneinander abwägt – und im besten Fall einen tragfähigen Konsens für alle aktuellen und künftigen Beteiligten ermöglicht. Wir kämpfen mit allen Mitteln der Demokratie für unser Miteinander – am Ende fühlen wir uns schlussendlich doch mehr verbunden mit: einer FÜR alle, alle FÜR einen.
Euer SPOT REGENSBURG e.V.